Charakterisierung von Lichtimpulsen mit wenigen optischen Zyklen durchstimmbar im Vakuum-Ultraviolettbereich

Einem Forscherteam am Max-Born-Institut ist es gelungen, wenige Femtosekunden kurze Lichtimpulse, die im Vakuum-Ultraviolettbereich abstimmbar sind, vollständig zu charakterisieren. Diese Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, die Valenzelektronendynamik vieler Materialien im VUV zu untersuchen.

Wenige Femtosekunden kurze Impulse, die im Ultraviolettbereich (UV) abstimmbar sind, sind der heilige Gral der modernen Laserwissenschaft. Da die meisten Materialien elektronische Resonanzen im tiefen und Vakuum-UV (VUV) aufweisen, ermöglichen solche Impulse die Untersuchung der Valenzelektronendynamik mit einer bisher unerreichten zeitlichen Auflösung. Aufgrund der Kramers-Kronig-Relation führt die Nähe zu Resonanzen jedoch zwangsläufig zu einer hohen Materialdispersion, was die Handhabung und Messung solcher Impulse extrem erschwert.

Kürzlich entwickelte John C. Travers von der Heriot-Watt University, Großbritannien, eine Technik, die sich ideal für die Erzeugung von abstimmbaren UV-Impulsen im µJ-Bereich mit einer Länge von wenigen Femtosekunden eignet und eine breite Abstimmbarkeit bis hinunter zu 110 nm aufweist. Sie nutzt die Emission resonanter dispersiver Wellen (RDW) nach der Soliton-Selbstkompression in Wellenleitern [1]. Diese Technik erfordert Hohlwellenleiter von sehr hoher Qualität, die erstmals durch das Strecken flexibler Kapillaren verfügbar wurden, eine Erfindung des letzten Autors der aktuellen MBI-Arbeit zusammen mit Peter Simon vom Institut für Nanophotonik Göttingen e.V., Deutschland [2].

Dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung durch die Gruppe um Travers wird die RDW-Technik nun für Untersuchungen in einem breiten Spektralbereich bis hinunter zum tiefen UV-Bereich (~230 nm) eingesetzt. Kürzere Wellenlängen im VUV-Bereich (100–200 nm) wurden jedoch aufgrund der immensen technischen Schwierigkeiten, die mit der hohen Absorption und übermäßigen Dispersion der Materialien in diesem Bereich verbunden sind, bisher noch nicht erforscht.

Nun ist es Wissenschaftlern am Max-Born-Institut in Berlin gelungen, die Anwendbarkeit der RDW-Technik auf den VUV-Spektralbereich auszuweiten. Sie charakterisierten wenige-fs-Pulse zwischen 160 und 190 nm vollständig mit einer Technik, die sie als Elektronen-FROG bezeichnen. Dabei handelt es sich um eine Variante des frequenzaufgelösten optischen Gating (FROG), bei der die Zwei-Photonen-Ionisation von Edelgasen als Nichtlinearität genutzt wird. Während der Messung wird das kinetische Energiespektrum der Photoelektronen als Funktion der Verzögerung zwischen zwei Impulsrepliken, die das Gas-Target ionisieren, aufgezeichnet (siehe Abb. 1). 

 

 

Abb. 1: Elektronen-FROG-Apparat. a. Gemessene Spektren von Impulsen, die über den VUV-Bereich abgestimmt sind, b. und c. Elektronen-FROG-Aufnahmen von Impulsen, die bei 180 bzw. 170 nm zentriert sind. b. zeigt den Abdruck der selbstionisierenden Zustände von Xenon, während c. aufgrund der Spin-Bahn-Aufspaltung eine Doppelpeak-Struktur aufweist.

Die aufgezeichneten zweidimensionalen Spektrogramme (Abb. 1.a und b) enthalten Informationen über die Impulsform, die mit Hilfe eines iterativen Phasenrekonstruktionsalgorithmus extrahiert werden können. Im Gegensatz zu den üblichen rein optischen FROG-Kurven hängen die Elektronen-FROG-Kurven jedoch nicht nur von der Impulsform ab, sondern enthalten auch den Fingerabdruck der atomaren Struktur des Zielgases. Dies erforderte die Entwicklung eines speziellen Phasenrekonstruktionscodes auf der Grundlage eines Differentialevolution-Algorithmus. Die Messungen wurden durch eine Reihe von Überprüfungen validiert, darunter ein Vergleich der Ergebnisse mit ab initio quantenmechanischen (TDSE) Berechnungen. Die In-situ-Messungen zeigen, dass die RDW-erzeugten VUV-Impulse eine Dauer von 2–3 fs haben (siehe Abb. 2), was mit früheren Vorhersagen auf der Grundlage von Simulationen übereinstimmt.

Abb. 2: Gemessene VUV-Impulse. Obere Reihe: Gemessene Spektren mit rekonstruierten Phasen, untere Reihe: rekonstruierte Impulsformen.

Das Elektronen-FROG-Gerät wurde auch für Pump-Probe-Messungen an einer Reihe kleiner organischer Moleküle, wie z. B. Ethylen, verwendet. Diese Messungen, die mit einer beispiellosen zeitlichen Auflösung durchgeführt wurden, werfen ein neues Licht auf die Relaxationsdynamik in der frühen Phase nach der Photoanregung. Derzeit werden die gemessenen Daten analysiert und mit molekulardynamischen Simulationen verglichen

[1] J. C. Travers, T. F. Grigorova, C. Brahms, and F. Belli, Nat. Photon. 13, 547-554 (2019).

[2] T. Nagy, M. Forster, and P. Simon, Appl. Opt. 47, 3264-3268 (2008)

Originalpublikation

Temporal characterization of tunable few-cycle vacuum ultraviolet pulses

J. R. C. Andrade, M. Kretschmar, R. Danylo, S. Carlström,T. Witting, A. Mermillod-Blondin, S. Patchovskii, M.Y. Ivanov, M. J. J. Vrakking, A. Rouzée, T. Nagy

Nature Photonics volume 19, pages 1240–1246 (2025)

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