Die physikalischen Eigenschaften kohärenter Phononen werden durch die Symmetrie des Kristalls bestimmt, der eine periodische Anordnung identischer Einheitszellen darstellt. Eine schwache optische Anregung ändert die Symmetrieeigenschaften des Kristalls nicht. In diesem Fall werden kohärente Phononen mit identischen atomaren Bewegungen in allen Einheitszellen angeregt (rote Einheitszellen in Abb. 1(c) mit Pfeilen, die atomare Verschiebungen andeuten). Im Gegensatz dazu kann eine starke optische Anregung die Symmetrie des Kristalls brechen und Atome in benachbarten Einheitszellen unterschiedlich schwingen lassen [Abb. 1(d)]. Dieser Mechanismus birgt das Potenzial auch andere Phononen anzuregen, ist bisher jedoch noch nicht untersucht worden.
In der Zeitschrift Physical Review B (https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevB.107.L180303) haben Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Duisburg-Essen ein neuartiges Konzept zur Anregung und Abtastung von kohärenten Phononen in Kristallen mit vorübergehend gebrochener Symmetrie vorgestellt. Der Schlüssel zu diesem Konzept liegt in der Reduktion der Symmetrie eines Kristalls durch geeignete optische Anregung, wie hier für das prototypische kristalline Halbmetall Bismut (Bi) demonstriert.
Die Anregung von Elektronen durch ultrakurze Lichtimpulse im mittleren Infrarotbereich in Bi verändert die räumliche Ladungsverteilung und reduziert damit vorübergehend die Kristallsymmetrie. In der reduzierten Symmetrie eröffnen sich neue Quantenpfade für die Anregung kohärenter Phononen. Wie in Abb. 1 dargestellt, führt die Symmetrieverringerung zu einer Verdoppelung der Größe der Einheitszelle von der roten Struktur mit zwei Bi Atomen zur blauen Struktur mit vier Bi Atomen. Zusätzlich zu der in Abb. 1(c) gezeigten unidirektionalen atomaren Bewegung erlaubt die Einheitszelle mit 4 Bi-Atomen kohärente Phononenwellenpakete mit bidirektionalen atomaren Bewegungen, wie in Abb. 1(d) skizziert.
Die direkte Untersuchung der transienten Kristallstruktur mittels Femtosekunden-Röntgenbeugung zeigt Oszillationen der Beugungsintensität (Abb. 2), die auf einer Pikosekunden-Zeitskala bestehen bleiben. Die Oszillationen entstehen durch kohärente Wellenpaketbewegungen entlang der Phononkoordinaten im Kristall mit reduzierter Symmetrie. Ihre Frequenz von 2,6 THz unterscheidet sich von der Frequenz der Phononenschwingungen bei niedrigen Anregungsdichten. Interessanterweise tritt dieses Verhalten nur oberhalb eines Schwellenwerts der optischen Anregungsdichte auf und spiegelt den hochgradig nichtlinearen, sogenannten nicht-perturbativen Charakter des optischen Anregungsprozesses wider.
Unabhängige nichtlineare THz-Experimente, ebenfalls veröffentlich in der Zeitschrift Physical Review B (https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevB.107.245140), geben ergänzende Einblicke in die optisch induzierte Symmetriereduktion. Im nichtperturbativen Regime der Licht-Materie-Wechselwirkung werden in den zweidimensionalen THz-Spektren höhere Harmonische der THz-Impulse und verschiedene Pump-Probe-Signale beobachtet. Letztere beinhalten ein kohärentes Pump-Probe-Signal von rückgefalteten akustischen Phononen bei einer Frequenz von 0,8 THz.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich durch die optisch induzierte Symmetriebrechung das Anregungsspektrum eines Kristalls auf ultrakurzen Zeitskalen verändern lässt. Diese Ergebnisse könnten den Weg für die transiente Kontrolle von Materialeigenschaften und damit für neue Anwendungen in der Optoakustik und beim optischen Schalten bereiten.