Nanoskalige Dynamik mit weicher Röntgenstrahlung beobachten

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Max-Born-Institut haben ein neues Instrument für den Weichröntgenbereich entwickelt, das die Dynamik magnetischer Domänen auf Nanometerlängen- und Pikosekundenzeitskalen sichtbar machen kann. Durch diese neuen Möglichkeiten im Labor, ebnet diese Arbeit den Weg für Untersuchungen ultraschneller Prozesse magnetischer Texturen, die bislang ausschließlich an Freien-Elektronen-Lasern (XFELs) verfügbar waren.

Ein heruntergefallener Kühlschrankmagnet ist der Schauplatz eines komplexen physikalisches Phänomens: Obwohl er äußerlich unbeschädigt erscheint, kann sich seine Haftkraft abschwächen, da sich seine interne magnetische Struktur in unzählige winzige Bereiche mit entgegengesetzter Magnetisierung - sogenannte magnetische Domänen - umgeordnet hat. Diese nanoskaligen Texturen stehen im Zentrum der modernen Magnetismusforschung. Ihre Beobachtung auf sehr kurzen Zeitskalen war jedoch lange Zeit nur an speziellen wissenschaftlichen Großgeräten, den Freien-Elektronen-Lasern (XFELs) möglich.

Forschende am Max-Born-Institut (MBI) haben nun ein laborbasiertes Weichröntgen-Instrument entwickelt, das diese verborgenen Strukturen mit Nanometer (10-9  m) und Pikosekunden (10-12 s) zeitlicher Auflösung sehen kann. Ihre in Light: Science & Applications veröffentlichte Arbeit zeigt, dass sich die ultraschnelle Dynamik magnetischer Domänen nun direkt im Labor sehr detailliert verfolgen lässt.

Weiche Röntgenstrahlung vereint eine außergewöhnlich hohe Empfindlichkeit für magnetische Ordnung mit Elementspezifität und hoher räumlicher Auflösung. In der sogenannten Kleinwinkelstreugeometrie (SAXS) werden magnetische Domänenmuster aus dem Realraum in Intensitätsverteilungen im reziproken Raum übersetzt (siehe Abb. 1d), welche genaue Informationen über die kurz- und langreichweitige Ordnung komplexer magnetischer Strukturen liefern.

Abb. 1: Schematische Darstellung der lasergetriebenen Plasmaquelle und des SAXS-Streuaufbaus. Das in d gezeigte SAXS-Muster wurde mit einem schnell-auslesenden Flächendetektor zusammen mit dem Direktstrahl aufgenommen. b Magnetkraft-Mikroskopieaufnahme des magnetischen Domänenmusters in der Fe/Gd-Multilage. c, d Zeitaufgelöstes SAXS-Signal an der Gd-M5​-Absorptionskante (Photonenenergie: 1189 eV). Das zusammengesetzte Bild in d zeigt die Summe der Detektoraufnahmen vor der Laseranregung (links) und nach der Laseranregung (rechts). Für die Datenanalyse werden die zweidimensionalen Detektoraufnahmen azimutal integriert, wie in c dargestellt.

Bislang war ultraschnelle resonante SAXS im Weichröntgenbereich nur an XFELs verfügbar. Das neue MBI-Aufbau überwindet diese Einschränkung, indem es eine lasergetriebene Plasma-Röntgenquelle (siehe Abb. 1a) mit einem speziellen, einzelphotonempfindlichen Flächendetektor kombiniert. Mit einer Wiederholrate von 100 Hz und einer zeitlichen Auflösung von 9 ps erreicht das Instrument die Stabilität und Empfindlichkeit, die zum Nachweis extrem schwacher diffuser Streusignale erforderlich sind.

Um die Leistungsfähigkeit des Systems zu demonstrieren, untersuchte das Team ein ferrimagnetisches Fe/Gd-Multilagenmaterial mit nanoskaligen, labyrinthartigen magnetischen Domänen. Durch die Wahl der Photonenenergie der Weichröntgenstrahlung passend zu den Absorptionskanten von Fe und Gd (etwa 700 bzw. 1200 eV), konnten sie elementspezifisch die Magnetisierungsdynamiken im Material erfassen. Dabei beobachteten sie eine bislang unbekannte und komplexe Umordnung des Domänenmusters auf Piko- bis Nanosekundenzeitskalen, welche vermutlich durch die Inhomogenität der optischen Anregung in der Probe verursacht wurde.

"Dieses Instrument ermöglicht es uns, magnetische Ordnung mit einer Detailgenauigkeit zu untersuchen, die zuvor einen Freie-Elektronen-Laser erforderte", sagt Leonid Lunin, einer der beiden geteilten Erstautoren der Studie. “Jetzt können wir das jeden Tag direkt im Labor tun.”

Dank seiner hohen Flexibilität und Photoneneffizienz erlaubt diese experimentelle Plattform systematische Studien unter Variation externer Parameter wie dem Magnetfeld, der Temperatur, sowie der Anregungsstärke oder Photonenenergie - Messungen, die an den meisten Großforschungsanlagen derzeit schwierig oder sogar unmöglich sind.

Für die Zukunft erwarten die Autorinnen und Autoren eine weitere Steigerung des Photonenflusses und der Sensitivität durch den Einsatz neuer Laser- und Detektortechnologien. Solche Verbesserungen werden multidimensionale Messungen und komplexe Anregungsschemata etablieren und neue Möglichkeiten eröffnen, emergente Phasen in einer Vielzahl komplexer Materialien zu untersuchen.

Originalpublikation

Laser-driven resonant soft-X-ray scattering for probing picosecond dynamics of nanometre-scale order

L. Lunin,  M. Borchert,  N. Schneider,  K. Korell,  M. Schneider,  D. Engel,  Stefan Eisebitt,  B. Pfau,  D. Schick

Light: Science & Applications 14 (2025) 394/1-9

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