Quantenmaterialien weisen spektakuläre Eigenschaften wie Supraleitung auf, sind aber in vielen Fällen noch schlecht verstanden. Insbesondere die räumliche Inhomogenität der Materialien auf der Nanometerskala scheint ihre Eigenschaften und Funktionen stark zu beeinflussen. Bei Vanadiumdioxid zum Beispiel können ein metallischer Zustand (eine Phase) und ein isolierender Zustand gleichzeitig, aber an verschiedenen, eng benachbarten Stellen im Material vorliegen. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Materialien liegt darin, die nebeneinander existierenden Phasen in diesen Materialien mit hoher räumlicher Auflösung beobachten und interpretieren zu können.
Die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verwendete Abbildungsmethode basiert auf einem holografischen Prinzip für Röntgenstrahlen, das mit einer hochentwickelten numerischen Nachbearbeitung der Daten kombiniert wurde. Anstatt nur eine Farbe im Röntgenspektrum abzubilden, sammelte das Forschungsteam einen ganzen Stapel von Bildern bei verschiedenen Röntgenwellenlängen, die zu charakteristischen Absorptionsmerkmalen des Materials gehören. Aus den Daten erstellten sie dann ein hyperspektrales Bild – das heißt, sie konnten die Probe in voller „Farbe“ anstatt in den Graustufen eines Schwarzweißbildes sehen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden der Röntgenmikroskopie verzichtet die Kombination von holografischer Abbildung mit numerischen Methoden auf hochauflösende fokussierende Optiken zur Bilderzeugung. Daher ist die erreichbare räumliche Auflösung dieses linsenlosen Ansatzes fundamental nur durch die Wellenlänge und nicht durch die Eigenschaften der Röntgenoptik begrenzt. Mindestens ebenso wichtig für die Untersuchung funktionaler Quantenmaterialien ist die Tatsache, dass der linsenlose Aufbau ein breites Spektrum an Probenumgebungen zulässt (zum Beispiel zum Kühlen auf sehr niedrige Temperaturen oder für das Anlegen starker Magnetfelder) und mit zeitaufgelösten Messungen, zum Beispiel nach Anregung der Probe durch ultrakurze Laserpulse, voll kompatibel ist.
Das Team der Forschenden setzte diese hyperspektrale Röntgenbildgebungstechnik ein, um den Phasenübergang vom Isolator zum Metall in Vanadiumdioxid (VO2) beim Erhitzen zu untersuchen. Obwohl dieses Material in der Vergangenheit häufig untersucht wurde und als prototypisch für diesen Übergang gilt, machten die Forscher überraschende Beobachtungen. Entgegen ihren Erwartungen wurde aufgrund der chemischen Empfindlichkeit durch die hyperspektrale Bildgebung deutlich, dass das, was makroskopisch als reiner Film aus VO2 erschien, erhebliche Mengen an V2O5 enthielt, die in kleinen Flecken von weniger als einem Mikrometer Größe verteilt waren. Diese Patchwork-Struktur ist in rasterelektronenmikroskopischen Bildern des Films nicht zu erkennen und wurde möglicherweise bei verschiedenen früheren Untersuchungen dieses Materials übersehen. Da dem Vanadiumoxid V2O5 der charakteristische Phasenübergang fehlt, beeinflusst sein beträchtlicher Anteil die Gesamteigenschaften der Probe erheblich und macht die Kenntnis dieser nanometergroßen Patchwork-Struktur entscheidend für die Interpretation vieler Experimente. Was den Phasenübergang vom Isolator zum Metall betrifft, so stellten die Forscher fest, dass die VO2-Regionen direkt vom isolierenden in den metallischen Zustand übergehen. Frühere Arbeiten zu diesem Material hatten auf das Vorhandensein zusätzlicher, lokal auftretender Zwischenphasen hingewiesen.
Besonders bemerkenswert an dem neu etablierten hyperspektralen Ansatz für die Bildgebung mit Röntgenstrahlen ist, dass er sich problemlos mit zeitaufgelösten Experimenten kombinieren lässt und somit die Kombination von spektralen, zeitlichen und räumlichen Informationen ermöglicht. In Kombination mit ultrakurzen Röntgen- und Laserpulsen verspricht die Technik die multidimensionale, zeitaufgelöste Bildgebung unter extremen Bedingungen, wo bisherige Methoden nicht funktionieren. Dieser Zugang ist wichtig, um neue Phasen in Quantenmaterialien zu entdecken, die schwer fassbar sind, weil sie nur für kurze Zeit oder in winzigen Teilen eines Materials auftreten.