Die Ionisation von Molekülen in einer Flüssigkeit mittels Licht ist ein fundamentaler physikalischer Prozess, der zu einem negativ geladenen Elektron und einem positiv geladenen Molekül-Ion führt. Nach seiner Freisetzung verliert das Elektron innerhalb einer Pikosekunde (1 ps = 10-12 s) fast seine gesamte Überschussenergie und lokalisiert an einem neuen Ort in der Flüssigkeit, umgeben von einer Wolke von neutralen Flüssigkeitsmolekülen. In einer polaren Flüssigkeit haben die Moleküle ein elektrisches Dipolmoment aufgrund von Partialladungen innerhalb der Molekülstruktur. In der Molekülwolke um das Elektron herum sind die Wasserstoffatome der OH-Gruppen des Alkohols auf das Elektron gerichtet und schirmen damit dessen elektrisches Feld ab. Die Abschirmwolke besteht aus mehreren tausend Alkoholmolekülen und hat einen Durchmesser von etwa 10 Nanometern (1 nm = 10‑9 m). Zusammen mit seiner Abschirmwolke stellt das Elektron ein Quantensystem mit diskreten Energieniveaus dar, welches eine breite optische Absorptionsbande zeigt.
Forscher am Max-Born-Institut haben jetzt die ultraschnelle Antwort von solvatisierten Elektronen in Alkoholen bei Frequenzen im Terahertzbereich (1 THz = 1012 Hz) untersucht. Hierzu wurden Alkoholmoleküle durch einen Femtosekunden-Lichtimpuls ionisiert und die Dynamik der erzeugten Elektronen mittels eines durch die Flüssigkeit laufenden THz-Impuls verfolgt. Wie in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift PNAS Nexus (https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgac078) beschrieben, haben die Wissenschaftler einen neuen Typ von Elementaranregungen des Elektrons und seiner Abschirmwolke beobachtet, ein sogenanntes Polaron. Kollektive Schwingungen des Elektrons und seiner Abschirmwolke bei THz-Frequenzen werden durch die ultraschnelle Lokalisierung des Elektrons hervorgerufen und dauern für eine Zeitspanne von ca. 30 Pikosekunden fort. Die Schwingungsfrequenz zwischen 0,2 und 1,5 THz wird einerseits durch die Elektronenkonzentration und andererseits durch die dielektrischen Eigenschaften des Alkohols bei THz-Frequenzen bestimmt.
Die konzertierte Bewegung des Elektrons und seiner Abschirmwolke aus polarisierten Alkoholmolekülen entspricht einer komplizierten Überlagerung von Quantenzuständen des Polarons, einem sogenannten Wellenpaket, welches die elektrischen Eigenschaften der Flüssigkeit periodisch moduliert. Aufgrund des elektrischen Dipolmoments strahlt das Quantensystem eine THz-Welle ab, welche in den Experimenten gemessen wird. Solche Polaron-Schwingungen sind in Abbildung 1 illustriert. Im Wesentlichen bestehen sie aus einer radialen Bewegung der kugelförmigen elektrischen Ladung um das Elektron herum, wie in den Teilbildern (+), (0) und (-) skizziert. Der beigefügte Film (Movie) gibt einen qualitativen Eindruck vom Geschehen in der Abschirmwolke um ein Elektron herum wieder. Auf der linken Seite werden Alkoholmoleküle mit OH-Gruppen in Rot gezeigt, deren Positionen um das solvatisierte Elektron (grüne Kugel) fluktuieren. Die räumlichen Korrelationen zwischen den schwingenden Molekülen werden nach einer räumlichen Mittelung der elektrischen Ladungsdichte sichtbar, die auf der rechten Seite gezeigt wird. Die kollektiven kugelförmigen Ladungsdichte-Schwingungen erfahren nahezu keine Dämpfung aufgrund der extrem kleinen Kopplung an andere Elementaranregungen in der Flüssigkeit.
Die von den Forschern entdeckte Polaron-Anregung ist charakteristisch für eine größere Klasse von polaren Flüssigkeiten, einschließlich Wasser. Die Frequenz der Polaron-Schwingungen kann mittels der Elektronenkonzentration in einem weiten Bereich verändert werden und ihre überraschend schwache Dämpfung erlaubt eine direkte Manipulation der zugrundeliegenden Quantendynamik, z.B. mittels einer maßgeschneiderten Folge von ultrakurzen Lichtimpulsen. Auf diese Weise werden die THz-Eigenschaften polarer Flüssigkeiten einer externen Steuerung zugänglich.