„Der außergewöhnlichste Aspekt der Topologie ist ihre Robustheit: Durch Topologie hervorgerufene Eigenschaften werden von ihr geschützt“, erklärt Dr. Álvaro Jiménez-Galán vom MBI, einer der beiden Hauptautoren des Artikels. So wie man die Anzahl der Löcher in einer Brezel nicht verändern kann, ohne sie zu zerreißen, beeinträchtigen Verunreinigungen und andere Defekte – die sonst die Stromleitfähigkeit eines Materials beeinträchtigen – nicht die hohe Elektronenmobilität auf der Oberfläche topologischer Isolatoren. Diese Unempfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen ist der Grund, warum die Elektronikindustrie sich seit einiger Zeit stark für topologische Materialien interessiert.
Wie Elektronen ihre Topologie preisgeben
Obwohl die Topologie eines Systems eng mit dem Verhalten der in ihm enthaltenen Elektronen verknüpft ist, ließ sich der Einfluss topologischer Eigenschaften auf die Dynamik der Elektronen auf der Zeitskala von etwa einer Femtosekunde bislang nicht nachweisen. Anhand numerischer Simulationen und theoretischer Analysen hat das Forscherteam am MBI nun zeigen können, auf welche Weise die Informationen über die Topologie eines solchen Systems in seiner ultraschnellen Elektronendynamik kodiert sind. Diese Informationen lassen sich ermitteln, indem man die Elektronen zunächst mit Laserstrahlung anregt und dann das von ihnen emittierte Licht analysiert.
„Wenn wir uns die Elektronen in einem Festkörper, die sich entlang bestimmter Energiebänder bewegen, wie Läufer auf einer Rennstrecke vorstellen, dann ermöglicht es unsere Methode, die Topologie dieser Rennstrecke zu ermitteln, einfach indem wir die Beschleunigung der Läufer messen", erklärt Prof. Dr. Olga Smirnova, Leiterin einer Theoriegruppe am MBI. Die ultrakurzen Laserpulse regen die Elektronen in dem System so an, dass sie von einem Energieband auf ein höheres springen, wobei sie auf der neuen „Rennstrecke“ eine Beschleunigung erfahren. Die beschleunigten Elektronen emittieren dabei Licht und fallen schnell wieder auf die untere Bahn zurück. Der ganze Prozess dauert nur Sekundenbruchteile, ist aber lang genug, dass ein Elektron den feinen Unterschied zwischen den Energiestrukturen von gewöhnlichen und topologischen Isolatoren „spüren“ und diese Informationen auf das emittierte Licht übertragen kann.
Auf dem Weg zur ultraschnellen Lichtwellen-Elektronik
Die neue Studie zeigt, wie man mit ultrakurzen Pulsen zwischen gewöhnlichen und topologischen Isolatoren unterscheiden und wie man die topologischen Informationen des Systems mittels Laserspektroskopie auslesen kann. Im nächsten Schritt wollen die MBI-Forscher dieses Wissen nutzen, um mit Hilfe von Laserstrahlung einen gewöhnlichen Isolator in einen topologischen zu verwandeln und umgekehrt – also die topologischen Informationen entsprechend schnell in das Material zu „schreiben“. Der theoretische Nachweis dieses Effekts könnte den Einsatz topologischer Materialien in der optisch gesteuerten Elektronik voranbringen, bei der die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung nur durch die Reaktionsgeschwindigkeit der Elektronen auf Licht begrenzt ist.