Genau wie der Blitz bei herkömmlichen Fotoapparaten sind kurze, aber intensive Röntgenpulse in der Lage, Bewegungen „einzufrieren”, wenn diese langsamer sind als die Dauer des Röntgenblitzes. Röntgenstrahlen haben dabei aufgrund ihrer im Vergleich zu sichtbarem Licht viel kürzeren Wellenlänge den Vorteil, Objekte im Nanometerbereich abbilden zu können. Zusätzlich lassen sich mit Röntgenstrahlen einzigartige Kontrastmechanismen ausnutzen, wenn die Energie der einzelnen Röntgenphotonen passend zu bestimmten elektronischen Übergängen gewählt wird. Dadurch ist es beispielsweise möglich, unterschiedlich magnetisierte Domänen innerhalb einer Probe sichtbar zu machen. Der Anteil an Photonen, die innerhalb einer solchen Probe gestreut werden, nimmt jedoch mit zunehmender Röntgenintensität ab, die Probe wird also zunehmend „unsichtbar”. Dieses Phänomen beschäftigt Forschende bereits seit den ersten Abbildungen magnetischer Domänen, die 2012 an einem Freie-Elektronen-Röntgenlaser aufgenommen wurden. Seitdem wurden eine Reihe unterschiedlicher Erklärungen für diesen Effekt vorgeschlagen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MBI Berlin haben nun zusammen mit Partnern aus Italien und Frankreich in einem besonders präzisen Experiment die Abhängigkeit der resonanten, magnetischen Streuung von der eingestrahlten Röntgenintensität pro Fläche („Fluenz”) untersucht. Dafür haben sie ferromagnetische Domänenproben mit individuellen „Fluenzmonitoren” ausgestattet, die die Intensität der Röntgenstrahlung direkt auf der Probe messen. Auf diese Weise konnte die Streuintensität mit großer Genauigkeit über mehr als drei Größenordnungen in der Fluenz gemessen und die unvermeidbaren Intensitätsfluktuationen der Röntgenblitze präzise berücksichtigt werden. Das Experiment selbst wurde am Freie-Elektronen-Laser FERMI in Triest, Italien, durchgeführt.
Die Magnetisierung eines Materials ist eng mit dem Zustand seiner Elektronen verbunden. Deren Bewegung um den Atomkern sowie ihr Spin verursachen zusammen das magnetische Moment. Für ihr Experiment verwendeten die Forschenden ferromagnetische, labyrinthartige Domänen, die sich in Kobalt-basierten Vielschichtsystemen ausbilden. Solche Materialien werden oft prototypisch in Experimenten zur magnetischen Streuung an Röntgenlasern verwendet. Durch die Wechselwirkung mit dem Röntgenstrahl wird die Besetzung der Elektronenniveaus in der Probe geändert und die Energie der Niveaus selbst kann sich verschieben. Beide Effekte könnten dazu führen, dass das Streusignal geschwächt wird. Im ersten Fall würde die Gesamtmagnetisierung durch die Umverteilung der Elektronen mit unterschiedlichen Spins vorübergehend reduziert. Im zweiten Fall bliebe die Magnetisierung erhalten, kann aber nicht mehr detektiert werden, weil sich die in der resonanten Streuung beteiligten Energieniveaus verschieben. Zudem wurde diskutiert, ob stimulierte Emission bei hohen Röntgenfluenzen und Pulslängen unter 100 fs eine wichtige Rolle spielen könne. Tritt stimulierte Emission auf, so übernimmt das ausgesendete Photon immer die Richtung des einfallenden Photons und kann daher, wie in Abb. 1 dargestellt, nicht mehr zum in der Streuung abgelenkten Licht beitragen.