Verrückte Spektroskopie trickst Quantenphysik aus

Wissenschaftler des Max-Born-Instituts haben eine neuartige spektroskopische Methode entwickelt, welche gleichzeitig die atomare Zusammensetzung und die räumliche Struktur von Molekülen beobachtet. Sie berichten über ihre Arbeit in der Online-Ausgabe von Science.

Verschiedene Materialeigenschaften gleichzeitig zu betrachten, ist in unserem Alltag selbstverständlich: Bereits ein kleines Kind kann Bauklötze nach Farbe und Form gleichzeitig sortieren. In der Welt der Atome und Moleküle ist das nicht so einfach möglich, denn eine Gesetzmäßigkeit der Quantenphysik besagt, dass man eine Eigenschaft nicht messen kann ohne sie zu verändern.

Um Eigenschaften von Molekülen zu bestimmen, steht Wissenschaftlern heute eine Vielzahl an spektroskopischen Methoden zu Verfügung. So lassen sich beispielsweise mit der Rotationsspektroskopie molekulare Strukturen voneinander unterscheiden, weil Moleküle mit charakteristischen Frequenzen rotieren. Die Analyse mit einem Massenspektrometer „wiegt“ Moleküle und ihre Bruchstücke und gibt so Auskunft über ihre atomare Zusammensetzung. Solche Messungen konnten Forscher bislang nur einzeln oder nacheinander durchführen, jedoch nicht gleichzeitig. Die Correlated Rotational Alignment Spectroscopy, kurz CRASY, erlaubt es nun, verknüpfte („correlated“) Eigenschaften von molekularer Struktur und atomarer Zusammensetzung über Rotations- und Massenspektroskopie gleichzeitig zu bestimmen.

Die Forscher bedienen sich dazu eines experimentellen Tricks: Sie regen die Moleküle zunächst mit einem ultrakurzen Laserimpuls zum Rotieren an. Zeitversetzt schicken sie einen zweiten Laserpuls hinterher, der aus dem Molekül ein Elektron herausschießt, das Molekül also ionisiert. Die Drehung des Moleküls im Raum („rotational alignment“) beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, mit der es ionisiert wird. Dieses Experiment wiederholen die Forscher vielfach, wobei die Moleküle unterschiedlich viel Zeit zum Rotieren haben. Auf diese Weise wird die Rotationsbewegung der Moleküle auf die Anzahl erzeugter Ionen und Elektronen abgebildet. Das Gewicht der entstehenden Molekülionen wird mit einem Massenspektrometer bestimmt, die Rotationsfrequenz lässt sich dann aus der zeitabhängigen Anzahl ionisierter Moleküle berechnen. Die Forscher überlisten so die Grenzen der einzelnen spektroskopischen Methoden und erhalten gekoppelte Informationen über Struktur und Masse.

„Mit CRASY bekommen wir viel mehr Informationen als mit herkömmlichen Methoden, denn wenn man zwei Moleküleigenschaften gleichzeitig misst, verdoppelt sich der Informationsgehalt nicht nur, sondern er steigt ins Quadrat“, sagt Dr. Thomas Schultz vom MBI. Dies erlaube die Untersuchung von komplexeren Systemen. Die Forscher haben mit ihrer Methode zunächst die Rotationskonstanten für zehn stabile Isotope einer natürlichen Kohlenstoffdisulfid-Probe (CS2) ermittelt. Mit einem einzigen Experiment erfassten die Forscher damit alle bekannten und drei bislang unbekannte Molekülkonstanten. „Im Unterschied zu herkömmlicher Rotationsspektroskopie brauchen wir dazu nur wenig Material und unsere Proben können auch verunreinigt sein“, so Schultz weiter. In der Zukunft wollen die Forscher diese Technik einsetzen, um Reaktionen in komplexen Biomolekülen, wie etwa DNA-Basen, zu verstehen.

Originalpublikation

CRASY: Mass- or electron-correlated rotational alignment spectroscopy

Ch. Schröter, K. Kosma, T. Schultz

Science 333 (2011) 1011-1015

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