Mittels Lichtpulsen hervorgerufene Phasenübergänge in Quantenmaterialien werden zunehmend genutzt, um transient Materialeigenschaften auf atomarer Ebene zu beeinflussen, wie etwa magnetische Ordnung oder Supraleitung. Allerdings ist es nicht einfach, das Wachstum einer neuen Phase in einem Festkörper abzubilden, was zum Teil auf die große Bandbreite der räumlichen und zeitlichen Skalen zurückzuführen ist, auf denen der Prozess abläuft. Und obwohl Wissenschaftler in den letzten zwei Jahrzehnten lichtinduzierte Phasenübergänge mit Prozessen im Nanometerbereich erklärt haben, gab es bisher keine zeitaufgelösten Bilder dieser Übergänge.
In der neuen Studie, die in Nature Physics veröffentlicht wurde, hat ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des ICFO in Barcelona, der Universität Aarhus, des Max-Born-Instituts in Berlin, der Sogang-Universität, der Vanderbilt-Universität, der Diamond Light Source, des ALBA-Synchrotrons, der Universität Utrecht und des Pohang Accelerator Laboratory eine neue Bildgebungsmethode entwickelt, die es ermöglicht, den lichtinduzierten Phasenübergang in Vanadiumoxid mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu erfassen. Der neue Ansatz basiert auf der hyperspektralen Bildgebung mit einem Freie-Elektronen-Röntgenlaser, um den Übergang von einem isolierenden zu einem leitenden, metallischen Zustand auf der Nanoskala in diesem sehr bekannten Quantenmaterial sichtbar zu machen und besser zu verstehen.
Die Abbildungsmethode beruht auf der konsequenten Ausnutzung der Kohärenz des Röntgenlasers mit Hilfe von holografischen und damit verwandten Verfahren. Die Anwendung dieser linsenlosen Methoden erfolgt zusätzlich mit spektraler Auflösung – es werden also verschiedene „Röntgenfarben“ genutzt. Dies ermöglicht die Identifizierung der verschiedenen Phasen im Material, da jede Phase die verschiedenen „Farben“ unterschiedlich absorbiert. Im Experiment am Röntgenlaser des Pohang Accelerator Laboratory in Südkorea nutzten die Wissenschaftler diese Fingerabdrücke der Röntgenabsorption, um die Umwandlung der verschiedenen Phasen in Vanadiumoxid nach der Belichtung mit einem ultrakurzen Infrarotlaserpuls abzubilden. Dies kann mit extrem hoher zeitlicher Auflösung geschehen, so dass ein Film des Prozesses mit Bildern im Abstand von Bruchteilen einer Pikosekunde erstellt werden kann.
Bei der Analyse der Daten stellte das Forscherteam fest, dass der Druck bei lichtinduzierten Phasenübergängen eine viel größere Rolle spielt als bisher angenommen. Während frühere Studien ohne räumliche Auflösung das vorübergehende Auftreten einer echten Nicht-Gleichgewichtsphase in Vanadiumoxid nahelegten, sind solche exotischen Phasen in dem mit Nanometerauflösung aufgenommenen Film nicht zu sehen. Stattdessen folgern die Forschenden, dass der ultraschnelle Übergang in winzigen Bereichen der Probe zu gigantischen Innendrücken führt, die Millionen Mal höher sind als der Atmosphärendruck. Dieser Druck verspannt das Kristallgitter und verändert damit lokal die Materialeigenschaften. Es braucht Zeit, um diese Verformungen zu entspannen, so dass es den Anschein hat, als gäbe es eine transiente Phase. Mit Hilfe der hyperspektralen Röntgenbildgebung konnte das Forschungsteam jedoch feststellen, dass die beobachtete Dynamik sich durch den sich aufbauenden Duck erklären lässt, ohne dass die Existenz exotischer Phasen postuliert werden muss.
Über die konkreten Ergebnisse zu Vanadiumoxid hinaus hat die demonstrierte Methode der zeitaufgelösten hyperspektralen Röntgenbildgebung das Potenzial, zur Lösung wissenschaftlicher Fragen in vielen Bereichen beizutragen, etwa zu Prozessen in katalytischen Materialien, in Supraleitern oder in neuartigen Nanobauelementen.