Hybride Laserpulse erzeugen gigantische Ströme auf ultrakurzen Zeitskalen

Der Fluss der Materie, von makroskopischen Wasserströmen bis hin zum mikroskopischen Fluss elektrischer Ladung, bildet die Grundlage für einen Großteil der Infrastruktur der modernen Zeit. Um einen nachhaltigen Fortschritt in Bezug auf Energieeffizienz, Datenspeicherkapazität und Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erreichen, suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, den Fluss der Quantenaspekte der Materie zu kontrollieren, z. B. des "Spins" eines Elektrons – also des magnetischen Moments - oder seines "Valley-Zustands", letzteres ein neuer Quantenaspekt der Materie, der in vielen zweidimensionalen Materialien eine entscheidende Rolle spielt. Ein Forscherteam des Max-Born-Instituts in Berlin hat kürzlich eine Möglichkeit entdeckt, Spin- und Valley-Ströme mit speziell entwickelten Laserpulsen auf ultrakurzer Zeit zu induzieren und zu kontrollieren, was neue Perspektiven für die Suche nach der nächsten Generation von Informationstechnologien aufzeigt.

Spintronik als auch die Valleytronik bieten viele potenzielle Vorteile gegenüber der klassischen Elektronik in Bezug auf die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung und die Energieeffizienz. Während jedoch Spinanregungen durch Spin-Bahn induzierte Spinpräzession ihren Charakter verlieren, stellt die Valley-Wellenfunktion eine stabile "Dateneinheit bzw. ein stabiles „bit“ dar.  Allein Übergänge in andere Valleys können die Stabilität negativ beeinflussen, eine Eigenschaft, die jedoch durch die Qualität der Probe kontrolliert werden kann. Die Valleytronik stellt somit eine robuste Plattform dar, die der klassischen Elektronik potenziell überlegen ist.

Das Herzstück künftiger Valleytronik- oder Spintronik-Technologien wird neben Quantenanregungen, die Dateneinheiten kodieren, in ihrem Transport liegen, also in der Kontrolle und Erzeugung von Valley- und Spinströmen. Während optimierten Lichtimpulsen für die ultrasschnelle und selektive Anregung von Valley-Quasiteilchen große Aufmerksamkeit gewidmet wurde, blieb die präzise Erzeugung und Kontrolle von Valley- und Spinströmen außerhalb des Bereichs der ultraschnellen Lichtkontrolle. In einer kürzlich in Science Advances veröffentlichten Studie hat ein Forscherteam des Max-Born-Instituts in Berlin gezeigt, wie ein hybrider Laserpuls, ein sogenannter „Hahnekamm Puls“, der zwei Polarisationstypen kombiniert, die vollständige Kontrolle über ultraschnelle laserlichtinduzierte Ströme ermöglicht.

Figure 1: Zirkular polarisierter Laserpuls (a-c) im Vergleich zu einem „Hahnenkamm“-Laserpuls (d-f). Das Vektorpotential einer zirkular polarisierten Lichtwelle, die auf das zweidimensionale Material Wolframdiselenid einwirkt, erzeugt keinen Reststrom nach Laserpulsanregung (a,b). Es wird lediglich ein Valley-Ladungszustand erzeugt (c), in dem sich die Bloch-Geschwindigkeiten aller angeregten Zustände aufheben, da die Ladungsanregung im Valley-Zentrum liegt (im Scheitelpunkt, der durch die roten Linien angedeuteten Brillouin-Zone).  Im Gegensatz dazu erzeugt ein „Hahnenkamm“-Puls, bei dem die zirkular polarisierte Lichtwelle durch eine symmetriebrechende linear polarisierte THz-Komponente verstärkt wird, einen ausgeprägten Reststrom (d,e). Dieser entsteht durch die erwähnte Symmetriebrechung, die angeregte Ladung aus dem Valley-Zentrum verschiebt (f), was zu einem endlichen Strom der angeregten Ladung führt. Während der THz-Puls allein zu keiner Anregung führt, sind die Kombination von zirkular polarisiertem Licht und dem THz-Polarisationsvektor sowie seiner Amplitude die Schlüsselparameter, die den endgültigen Stromzustand vollständig bestimmen.

kvalley Die Kontrolle des Ladungszustands selber lässt sich durch zirkular polarisiertes Licht erreichen, bekannt als "Spin-Valley-Locking" der Übergangsmetall-Dichalcogenide [1]. Dies kann als Folge einer Selektionsregel angesehen werden, die die magnetischen Quantenzahlen der d-Orbitale einbezieht. Während zirkular polarisiertes Licht die Valleyladung anregt, erzeugt es jedoch keinen Valley-Strom, wie in Fig. 1a,b gezeigt ist. Diese Situation entsteht, da für jedes Quasimoment im Valley , das angeregt wird, auch ein entsprechendes  angeregt wird: Die Bloch-Geschwindigkeiten heben sich also auf und es gibt keinen Nettostrom im Valley.

k → k − A(t)/c Die vollständige Kontrolle über die lichtinduzierten Valleyströme, ihre Größe und Richtung, erfordert daher, über das Paradigma des „Spin-Valley-Lockings“ hinauszugehen. Die Erzeugung eines angeregten Zustands im Valley, der zu einem Netto-Valley- und Spinstrom führt, muss daher die Überwindung der lokalen   Entartung beinhalten. Da das Laser-Vektorpotenzial direkt an das Quasi-Moment des Kristalls koppelt, , lässt sich ein Strom am effektivsten durch einen linear polarisierten Einzelzykluspuls mit einer Dauer erreichen, die mit der des zirkular polarisierten Pulses vergleichbar ist: ein solcher Puls liegt offensichtlich im "THz-Fenster" von 1 THz bis 50 THz. Sharma et al. [2] haben kürzlich die Eigenschaften dieser hybriden Doppelpump-Laserpulse, sogenannter Hahnenkamm-Pulse, untersucht und festgestellt, dass er die vollständige Kontrolle über die Erzeugung von Spin- und Valleystromzuständen erlaubt. Wie in Fig. 1d,e gezeigt, erzeugt diese Hahnenpuls-Lichtform einen beträchtlichen Reststrom (d. h. einen Strom, der nach dem Laserpuls anhält). Dieser resultiert aus einer Nichtaufhebung der Bloch-Geschwindigkeiten des angeregten Quasi-Momentes, da die Verteilung der angeregten Ladung nun um genau den Polarisationsvektor des THz-Pulses vom hochsymmetrischen K-Punkt verschoben ist, wie in Fig. 1f gezeigt.

 

 

 

Figure 2: Schematische Darstellung der Wirkung eines Hahnenkamm-Pulses: (i) der erste Halbzyklus eines THz-Pulses führt zu einer Intraband-Bewegung, die Zustände zum Minimum der Bandlücke treibt; (ii) die optische Komponente regt Zustände über die Bandlücke hinweg an; (iii) schließlich bringt der zweite Halbzyklus des THz-Lichts den Zustand zu seinem ursprünglichen Impuls zurück. Die Gesamtwirkung des Hahnenpuls-Pulses besteht also darin, die Ladung mit einem endlichen Valley-Impuls anzuregen, der durch den Polarisationsvektor des THz-Pulses bestimmt wird.

ℏωcirc Das physikalische Bild, das der Wirkung dieses Pulses zugrunde liegt, ist in Fig. 2 schematisch dargestellt: Ein Halbzyklus der THz-Komponente des Hahnenkamm-Pulses treibt eine Intraband-Bewegung an, die Zustände zur minimalen Bandlücke treibt (i). An diesem Punkt regt die zirkular polarisierte Komponente diese Ladung über die Bandlücke hinweg an (ii), wobei schließlich der zweite Halbzyklus der THz-Komponente die Ladung zu ihrem ursprünglichen Impuls zurückführt (iii). Auf diese Weise wurde die Ladung mit einem Quasi-Moment q angeregt, dessen Energieunterschied, zwischen Leitungs- und Valenzband nicht der Energie des zirkular polarisierten Lichts entspricht (und damit auch nicht der Bandlücke, auf die dieses Licht abgestimmt ist). Der Polarisationsvektor der THz-Lichtkomponente ist der Schlüsselparameter eines Hahnenkamm-Pulses, wobei die Polarisationsrichtung und -amplitude jeweils die Richtung und Amplitude des lichtinduzierten Stroms bestimmen. Auf diese Weise stellen solche Hahnenkamm-Pulse einen Weg zur direkten Lichtkontrolle über den gleichzeitigen Ladungs- und Stromzustand von valleyaktiven zweidimensionalen Materialien dar und bieten einen neuen Weg zur Valleytronik und Spintronik auf ultrakurzen Zeiten.

[1] D. Xiao et al. Physical Review Letters 108, 196802, (2012)

[2] Sharma et al. Science Advances, 9, 11, eadf3673, (2023)

Originalpublikation

THz induced giant spin and valley currents

Sangeeta Sharma, Peter Elliot, Samuel Shallcross

Science Advances (2023) Vol 9, Issue 11

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