Schulbücher der Chemie lehren uns, dass es in wässriger Lösung keine reinen Protonen gibt, da die Affinität von flüssigem Wasser für Protonen außerordentlich hoch ist. Am bekanntesten ist das Oxonium-Ion H3O+, bei dem sich ein Proton mit einem Wassermolekül zu einer eigenständigen Spezies verbindet. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden zwei größere hydratisierte Protonenkomplexe mit charakteristischen, wohldefinierten Strukturen postuliert, einer von Manfred Eigen und der andere von Georg Zundel. Als Anerkennung für ihre bahnbrechenden Arbeiten wurden die Ionen nach ihnen benannt: Das Eigen-Kation H9O4+ besteht aus einem zentralen Oxonium-Ion, das über Wasserstoffbrücken zu drei Wassermolekülen den Komplex H3O+( H2O)3 bildet. Das Zundel-Kation H5O2+ besteht aus einem Proton, das sich zwei stark gebundene Wassermoleküle teilen und so das Motiv H2O···H+···OH2 bilden. Nach heutiger Auffassung stellen das Eigen- und das Zundel-Ion Grenzstrukturen des hydratisierten Protons in flüssigem Wasser dar, wobei die tatsächliche Struktur von protoniertem Wasser noch immer umstritten ist.
Bislang war die elektronische Struktur hydratisierter Protonenkomplexe in Lösungen bei Raumtemperatur schwer fassbar, obwohl die elektronische Struktur wichtige Informationen über alle Wassermoleküle liefern würde, die direkt von der Anwesenheit eines Protons betroffen sind. Ein solches elektronisches Strukturbild sollte deutlich über die beiden begrenzten Eigen- und Zundel-Geometrien hinausgehen. Idealerweise hätte man eine lokale Sonde der elektronischen Ladungsdichten in den Wassermolekülen, die unmittelbar an der Hydratation des Protons beteiligt sind. Durch die Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen unterschiedlicher Stärke dürfte sich die elektronische Struktur dieser mit dem Proton direkt interagieren Wassermolekülen tiefgreifend ändern.
Die Ergebnisse, die an in Acetonitril gelösten Säure-Wasser-Gemischen erzielt wurden, legen eine allgemeine Hierarchie für die Protonenhydratation nahe: Das Proton interagiert mit drei Wassermolekülen und bildet einen H7O3+-Komplex. Die Hydratschale dieses Komplexes wird durch das elektrische Feld der positiven Ladung des Protons beeinflusst. Diese Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Fehlen einer ausgeprägten Vorkante und einer starken Nachkante im Sauerstoff-Röntgenspektrum von H7O3+ ziehen, da Wassermoleküle eine deutliche Vorkante und eine viel kleinere Nachkante aufweisen. Die neuen Forschungserkenntnisse haben direkte Auswirkungen auf das Verständnis der Protonenhydratation von Protonen in wässriger Lösung über Protonenkomplexe in Brennstoffzellen bis hin zur Wasserstruktur-Hydratationstaschen von Protonenkanälen in Transmembranproteinen. Die technologischen Fortschritte in der Spektroskopie mit weichen Röntgenstrahlen ebnen den Weg für weitere Entwicklungen in der stationären und ultraschnellen Röntgenspektroskopie, um die elektronische Struktur von Protonenkomplexen zu untersuchen und zu verstehen, wie elementare Schritte des Protonentransports die elektronischen Ladungsdichten in diesen Komplexen beeinflussen.