In der heutigen Informationstechnik bestehen funktionale magnetische Bauelemente in der Regel aus Stapeln dünner Schichten magnetischer und nichtmagnetischer Materialien, die jeweils nur etwa einen Nanometer dick sind. Der Aufbau des Schichtsystems, die Auswahl der Atomarten und die sich daraus ergebenden Grenzflächen zwischen den einzelnen Schichten sind entscheidend für die Funktion des Bauteils, wie auch beispielsweise in den Leseköpfen aller magnetischen Festplatten, die auf dem Riesenmagnetowiderstand (GMR-Effekt) basieren. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass ultrakurze Laserimpulse bis hinab in den Femtosekundenbereich (eine Femtosekunde = 10-15 s) die Magnetisierung eines Materials effektiv und sehr schnell beeinflussen können, wodurch der Magnetisierungszustand vorübergehend geändert oder sogar dauerhaft umgeschaltet werden kann. Während diese Effekte bisher vor allem in einfachen Modellsystemen untersucht wurden, erfordern künftige Anwendungen ein Verständnis der Magnetisierungsdynamik auch in komplexeren Strukturen mit Heterogenität auf der Nanometerskala.
ForscherInnen des Max-Born-Instituts in Berlin haben nun gemeinsam mit KollegInnen der Leibniz-Institute für Kristallzüchtung und für Analytische Wissenschaften sowie des Helmholtz-Zentrums Berlin eine neuartige Methode vorgestellt, welche es erlaubt, die räumliche und zeitliche Entwicklung laserinduzierter Spindynamik innerhalb einer komplexen magnetischen Heterostruktur auf Femto- und Pikosekundenzeitskalen aufzulösen. Mithilfe ultrakurzer weicher Röntgenpulse einer Wellenlänge von etwa acht Nanometern, die mit einer breitbandigen, auf der Erzeugung höherer Harmonischer („HHG“) basierenden Laborquelle erzeugt wurden, konnten sie die Entstehung eines magnetischen Tiefenprofils innerhalb einer zehn Nanometer dünnen ferrimagnetischen Eisen-Gadolinium-Schicht (FeGd) verfolgen, die zuvor mit einem Femtosekunden-Laserpuls im Infrarotbereich (IR) angeregt wurde. Die zugrundeliegende Sensitivität auf die Magnetisierung beruht auf dem transversalen magnetooptischen Kerr-Effekt (T-MOKE), der zu einer magnetisierungsabhängigen Reflektivität führt und zudem elementselektiv ist. Zum Erhalt von Tiefeninformation innerhalb der in Abb. 1 dargestellten Struktur entwickelte das Team den folgenden Ansatz: Wenn die Strahlung eine Wellenlänge nahe einer atomaren Resonanz hat, ändert sich ihre Eindringtiefe in das Material stark. Wie weit bestimmte spektrale Bestandteile des breitbandigen Röntgenpulses in das Material „hineinschauen“ können, hängt also von ihrer genauen Wellenlänge ab. Folglich kann eine Tiefeninformation aus den nach der Reflektion beobachteten spektralen Änderungen gewonnen werden. Für jeden Zeitpunkt nach Anregung lässt sich dabei das Magnetisierungsprofil durch Vergleich der gemessenen T-MOKE-Spektren mit von magnetischen Streusimulationen berechneten Spektren ermitteln (siehe Abb. 2).
Im Experiment regte der 27 Femtosekunden kurze IR-Laserimpuls, der die Magnetisierungsänderung induzierte, die Heterostruktur von Seiten der Tantalschicht aus an, welche die eigentlich magnetische FeGd-Schicht bedeckt. In den ersten hundert Femtosekunden nach Anregung wurde daraufhin eine homogene Entmagnetisierung der FeGd-Schicht beobachtet. Zu ihrer Überraschung stellten die WissenschaftlerInnen jedoch fest, dass die laserinduzierte Magnetisierungsänderung zu späteren Zeiten von etwa einer Pikosekunde auf der dem einfallenden Laserpuls abgewandten Seite der FeGd-Schicht am stärksten war. Vorübergehend bildet sich dabei ein inhomogenes Magnetisierungsprofil, das eine verstärkte Entmagnetisierung an der Grenzfläche zur dünnen darunterliegenden Platinschicht zeigt. Anhand der Zeitskala des sich entwickelnden Magnetisierungsgradienten konnten die verantwortlichen mikroskopischen Prozesse identifiziert werden: Entgegen anfänglicher Erwartungen konnte ein signifikanter Einfluss ultraschnellen Spintransports durch die Grenzfläche ausgeschlossen werden, da dieser bereits während der ersten hundert Femtosekunden zu Magnetisierungsgradienten führen müsste. Stattdessen entsteht der beobachtete Effekt durch Wärmezufuhr aus der tieferen Platinschicht in die magnetische Schicht, da das Platin den IR-Laserpuls viel stärker absorbiert als die anderen Schichten der Heterostruktur und somit als lokalisierte interne Wärmequelle wirkt.
Die von den ForscherInnen vorgestellte Methode ermöglicht es, die Entwicklung von Magnetisierungsprofilen mit Femtosekunden zeitlicher und Nanometer räumlicher Auflösung entlang der bisher schwer zugänglichen Tiefe einer Probe zu verfolgen. Damit ebnet sie einen Weg zur Überprüfung fundamentaler theoretischer Vorhersagen im Bereich des ultraschnellen Magnetismus sowie zur Untersuchung laserinduzierter Spintransport- und Wärmetransportphänomene in anwendungsrelevanten Systemen.