Wenn Atome der hochintensiven Strahlung moderner Kurzpuls-Laser ausgesetzt werden, erscheint es zweckmäßig, das Licht eher als eine klassische, elektromagnetische Welle zu betrachten, als einen Strom von Lichtteilchen, sogenannten Photonen. Das revolutionäre Konzept des Photons wurde von Einstein vorgeschlagen, um die Wechselwirkung von Licht mit Materie bei geringen Intensitäten zu erklären. Im Photonenbild absorbiert ein Atom ein einzelnes Photon mit geeigneter Energie, um entweder angeregt, siehe Abb. 1a), oder ionisiert zu werden (der wohlbekannte Photoeffekt). Die enorme Anzahl an Photonen, die in den kurzen Pulsen moderner Lasersysteme komprimiert sind, entsprechen enormen elektrischen Feldstärken von bis zu 1 Milliarde (1.000.000.000) Volt pro cm, im Vergleich zu Feldstärken im Bereich von einem Volt pro cm, die in Lichtquellen zu Einsteins Zeiten verfügbar waren. Diese hohen Feldstärken beeinflussen ein Atom in so hohem Maße, dass Ionisation nahe liegt.
Die anregende Geschichte von Heliumatomen in starken Laserfeldern
Abb. 1a) Anregung von Atomen bei niedrigen Lichtintensitäten nach Einstein: Ein Photon (grüner Punkt) trifft auf ein Atom in seinem Grundzustand und hebt dadurch das Elektron instantan auf einen höheren Orbit, aber nur, wenn die Energie des Photons der für den Übergang benötigen Energie genau entspricht.
Dass in Laserfeldern so hoher Intensität trotzdem eine Anregung von Atomen beobachtet und mit dem klassischen Wellenbild erklärt werden kann, wurde von H. Zimmermann et al. in einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Physical Review Letters gezeigt. Im Experiment wurden Heliumatome der intensiven Strahlung von Laserpulsen mit einer Pulsdauer von 40 Femtosekunden ausgesetzt und anschließend analysiert, welche Zustände im Atom angeregt wurden, siehe Abb. 2. Zur Veranschaulichung: Die Laserpulsdauer verhält sich zu einer Sekunde, wie die Dauer eines Arbeitstages zum Alter des Universums. Obwohl das Elektron im Atom während des Laserpulses kräftig durchgeschüttelt wird, wird das Atom nicht ionisiert, sondern angeregt. Als wichtigstes Ergebnis der Untersuchung finden die Autoren eine sehr gute Übereinstimmung ihrer experimentellen Ergebnisse mit denen des Modells der sogenannten "frustrierten Tunnelionisation" (FTI), welches zuvor von T. Nubbemeyer et al. am MBI entwickelt wurde. Das FTI-Modell basiert auf dem Bild des Starkfeldtunnelns, dass vor etwa 50 Jahren vom russischen Physiker L. Keldysh vorgestellt wurde. Danach kann das Elektron jedes Mal dann dem bindenden Potential des Atomrumpfes entkommen, wenn das Laserfeld dieses so stark deformiert, dass eine Barriere, durch die das Elektron quantenmechanisch hindurch tunneln kann, entsteht. Nach Keldysh's Theorie entfernt sich das Elektron nach dem Tunneln aus dem Atomverbund. Der Tunnelprozess muss jedoch nicht zwangsweise dazu führen, dass das Elektron dem Atom entkommt. Die Tunnelionisation kann unterdrückt ("frustriert") sein, wenn man die Bewegung des Elektrons im kombinierten, elektrischen Feld das Lasers und des zurückbleibenden Atomkerns genau verfolgt. Unter gewissen Umständen erhält das Elektron nicht genügend Energie, sei es aus dem Laserfeld oder durch Kollisionen nach dem Tunneln mit dem ionischen Rumpf, um dem anziehenden Potential des ionischen Rumpfes zu entkommen (siehe Abb. 1b).
Abb. 1b) Ein mit dem Atom im Grundzustand wechselwirkender starker Laserpuls beeinflusst die Bahn des Elektrons so massiv, dass es, nachdem der Laserpuls vorüber ist, auf einen höheren Orbit relaxiert. Dabei muss die Energie eines einzelnen Photons nicht notwendigerweise der Energie des Übergangs entsprechen.
Durch die experimentelle Bestätigung durch Zimmermann et al. wird die Bedeutung des FTI-Modells für das Verständnis der Anregung von Atomen durch intensive Laserfelder untermauert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der fundamentale Prozess der Anregung von Atomen bei höchsten Laserintensitäten als ein Prozess verstanden werden kann, der quantenmechanisches Tunneln und die klassische Bewegung des Elektrons sowohl im elektromagnetischen Laserfeld als auch im Coulombfeld des ionischen Rumpfes miteinander vereint.
Abb. 2) Vergleich der Verteilung der Hauptquantenzahl n nach Anregung von He in starken Laserfeldern: Experimentell bestimmte Verteilung für Intensitäten von 1,8x1015 W/cm2 (blaue Punkte) und 2,9x1015 W/cm2 (rote Quadrate). Berechnete Verteilung mit Hilfe des FTI-Modells für 1015W/cm2 (offene Rauten) und für 1,4x1015 W/cm2 (offene Quadrate).